Diesel: Für Mobilität, saubere Luft und das Ende des Kapitalismus!
Wir dokumentieren im Folgenden unser Flugblatt, das wir während der solidarischen Beteiligung am IG Metall Aktionstag am 13.3. bei BOSCH in Feuerbach verteilten. Der SWR hat einen kurzen Videobeitrag zum Tag veröffentlicht.
1) Warum kann nicht alles bleiben, wie es ist?
Das fragen sich gerade viele von uns. Hinter dieser Frage verbirgt sich oft der berechtigte Wunsch, seinen bislang als sicher empfundenen und – dank IG Metall Tarifvertrag – vergleichsweise gut bezahlten Job in der Autoindustrie zu behalten. Die kommenden und sich immer stärker abzeichnenden technischen Veränderungen machen vielen Angst. Zum Beispiel die Entwicklung alternativer Antriebskonzepte, die in bislang noch nicht absehbaren Tempo den „Diesel“ und auch den „Benziner“ ersetzen könnten. Oder auch die sogenannte Digitalisierung, die das Auto und seine Produktion grundlegend verändern werden.
Niemand von uns kann die Zeit anhalten. Und wer will schon zurück zu früher, als man in Baden-Württemberg noch überwiegend von der Landwirtschaft oder sprichwörtlich vom Export von Kuckucksuhren und Schwarzwälder Schinken lebte? Dafür aber von Montag bis Samstag täglich zehn oder zwölf Stunden arbeiten musste. Die „gute, alte Zeit“ ist eine Legende. Und niemand müsste Angst vor der Zukunft oder neuen Technologien haben, wenn da nicht der Kapitalismus wäre.
Nicht in unserem Interesse
Wer legt in unserer Gesellschaft fest, was „Fortschritt“ ist? Wer bestimmt, an welchen Technologien geforscht wird und welche Produkte entwickelt werden? Wer entscheidet, wo etwas zu welchen Löhnen produziert wird? Im Kapitalismus ist das der sogenannte „Markt“. Sprich die eiskalte Berechnung der Manager darüber, was sich möglichst gewinnbringend verkaufen lässt. Und wo die Produktionskosten am niedrigsten sind. So könnten auf den „Altar der unternehmerischen Wettbewerbsfähigkeit“ unsere Jobs, unsere Tarifverträge und wohlmöglich auch die Zukunft weiter Teile des Standorts Feuerbach geopfert werden. Sich dagegen zu wehren ist richtig. Zum Beispiel mit der Versammlung heute. Aber reicht das wirklich aus?
Ein größeres Problem
Wir meinen, es kann keine dauerhafte soziale Sicherheit geben, in der die Profitinteressen der Unternehmen im Widerspruch zu unseren als ArbeiterInnen und denen der gesamten Gesellschaft stehen. Es reicht nicht aus, der Raffgier einiger hochbezahlter Manager Grenzen aufzuzeigen. Wir müssen an die Wurzel des Problems gehen. Den kapitalistischen Eigentumsverhältnissen und den Auswüchsen der Konkurrenzgesellschaft in der wir leben. Wir wollen an die Stellen der vermeintlichen betriebswirtschaftlichen Logik einen gesellschaftlichen Plan und eine neue Form der Wirtschaft stellen. In der technischer und sozialer Fortschritt kein Widerspruch mehr sind und deshalb niemand vor der Zukunft Angst haben muss.
2) Für Mobilität, saubere Luft und das Ende des Kapitalismus!
Jahrelang haben die großen Autokonzerne – und vermutlich auch Bosch – illegale Absprache darüber getroffen, wie sie kleinere Zulieferbetriebe und deren Belegschaften auspressen, um die eigenen Gewinne zu steigern. Und sie haben sich auch darüber verständigt, wie sie die Dieselfahrer betrügen. Zum Beispiel indem sie das Märchen vom „Clean Diesel“ erzählen und heimlich Thermofenster und illegale Abschalteinrichtungen anwenden. Für diesen Betrug sollen jetzt in vielen Städten die Fahrer älterer Diesel-Modelle zahlen.
Wir wollen aber nicht, dass Mobilität zunehmend ein Privileg der Oberschicht wird. Dass zum Beispiel der Käufer eines neuen, ca. 140.000 Euro teuren Mercedes GLS AMG – mit 585 PS und 18 Liter Spritverbrauch im Stadtverkehr – nach wie vor fröhlich durch Stuttgart fahren darf. Aber für viele Berufspendler oder Familien mit schmalem Geldbeutel zukünftig nur noch Bus und Bahn oder Fahrrad als Alternative bleiben.
Das heiß aber nicht, dass es richtig wäre, zu leugnen, dass Stuttgart ein Abgasproblem hat. So wie es Teile der „Bleifussfraktion“, die AfD oder an Dyskalkulie erkrankte Lungenärzte getan haben. Wer sich an Tagen mit dem sogenannten „Feinstaubalarm“ mal die Mühe macht, zum Beispiel zum Aussichtspunkt beim Bopser zu laufen und runter zu schauen, der sieht, wie die Abgase im Stuttgarter Talkessel stehen. Dass das auf Dauer nicht gesund sein kann, sagt einem der gesunde Menschenverstand.
E-Auto. Alles Gut?!
Die sogenannte „E-Mobilität“ ist nicht die einzig denkbare Alternative zum Verbrennungsmoor. Möglicherweise treibt man mit dieser Technologie sogar den vermeintlichen „Teufel Diesel“ mit dem elektrischen Beelzebub aus?
Wenn der Strom für die Produktion und das Laden der Batterien der E-Autos aus Braunkohle- oder Atomraftwerken kommt, ist in punkto Klimaschutz oder Nachhaltigkeit nichts gewonnen. Vielleicht drohen sogar neue Kriege um die nötigen Rohstoffe für die Herstellung der Batterien? Mit großer Wahrscheinlichkeit werden die Rohstoffe für die Produktion der Batterien unter elenden Bedingungen abgebaut. Und die Frage der Entsorgung alter Batterien ist noch lange nicht befriedigend beantwortet.
Wer will, dass die Menschen mehr mit öffentlichen Verkehrsmitteln statt mit dem eigenen Auto fahren, muss dafür sorgen, dass Bus und Bahn billiger und bequemer werden. Überfüllte U-Bahnen, viele schlecht angebundene Industriebetriebe und der ländlichen Raum, wo der letzte Bus sprichwörtlich um halb vier fährt sind inakzeptabel, wenn man es ernst damit meint, dass mehr Menschen „umsteigen“ sollen.
Jedoch hat die Autoindustrie die Entscheidung für die Entwicklung und die Produktion von Elektroautos in großen Maßstab schon lange getroffen. Nicht weil sie sich Sorgen um die Gesundheit der abgasgeplagten Einwohner Stuttgarts macht. Oder weil sie die Umwelt oder das Klima retten möchte. Nein. Sondern vor allem, weil sie Angst hat, dass Tesla und einige neue chinesische Hersteller von E-Autos ihnen das profitable Geschäft mit den „ganz dicken Schlitten“ wegnehmen könnten.
Ein Konzern kann sich verändern, um sein Geschäftsmodell zu retten. Für die Menschen, die bei diesem Konzern arbeiten, zum Beispiel bei Bosch, kann das sogar gut sein. Weil so – zumindest ein Teil von Ihnen – den relativ gut bezahlten, tariflich abgesicherten Job behält. Aber der Maßstab für diese jetzt beginnende Veränderung der Konzerne und die strategische Neuausrichtung der Autoindustrie ist nur die Sicherung des eigenen Profits. Nicht der gesellschaftliche Fortschritt oder die Beantwortung ökologischer Fragen.
Es geht immer nur um das eine…
In unserem Wirtschaftssystem geht es um höchst möglichen Profit. Und dies nicht allein, weil irgendwelche Manager den Hals nicht voll kriegen, sondern weil die kapitalistische Konkurrenz der Unternehmen untereinander sie dazu zwingt. Wer Skrupel hat oder zu langsam ist, bleibt auf der Strecke. Die Arbeiter der Unternehmen sind für die Unternehmer ein Kostenfaktor, der möglichst klein zu halten ist. Und die Interessen der der Bürger Stuttgarts oder anderer Städte sind nur solange von Belang, solange man damit Geld verdienen kann.
Wir wollen, dass an die Stelle der Interessen eines einzelnen Konzerns die in Räten demokratisch definierten Interessen der gesamten Gesellschaft treten. Nur so ist es möglich, den berechtigten Wunsch möglichst einfach, schnell und günstig von A nach B zu kommen mit dem Bedürfnis nach sauberer Luft auszugleichen. Nur ohne die dem Kapitalismus innewohnenden Profitgier von Großaktionären der Autoindustrie ist es möglich, sachlich abzuwägen, welche Antriebstechnologie in Zukunft diese eben genannten Bedürfnisse erfüllen kann. Nur durch eine neue Gesellschaft ist es möglich, den fortschreitenden Klimawandel zumindest zu verlangsamen und unseren Kindern eine lebenswerte Erde zu hinterlassen.