Unser Aufruf zum TVÖD: Vereinen. Streiken. Kämpfen.

Am 18. Juni hat Ver.Di beschlossen die Entgelttabelle des TVöD und die zugehörigen Tarifverträge im öffentlichen Dienst aufzukündigen. Der Grund: Die „Kommunalen Arbeitgeberverbände“ (KVA) haben das von Ver.Di gestellte Angebot, den Beginn der Tarifauseinandersetzungen aufgrund der Corona-Krise bis 2021 zu verschieben, wegen „unverhältnismäßig hohen Einmalzahlung für alle Beschäftigten“ abgelehnt. Die Botschaften der Vorgesetzten könnten deutlicher nicht sein – klatschen war gestern! Jetzt stehen die Zeichen auf Angriff. Während die Beschäftigten kürzlich noch zurecht als „systemrelevant“ gelobt und gefeiert wurden, sind sie jetzt nicht mehr als lästige Kostenverursacher. Die „Arbeitgeber“ versuchen die Kosten der Krise uns Beschäftigten anzulasten und wollen durch einen Tarifvertrag mit möglichst langer Laufzeit künftige Arbeitskämpfe unmöglich machen – begründet durch leere öffentliche Kassen. Das dürfen wir uns nicht gefallen lassen! In vielen Bereichen war die Lage vor Corona schon schwierig – durch die Krise spitzt sich die Situation weiter zu.

Die Krise vor Corona

In Krankenhäusern und Pflegeeinrichtungen bestimmen Personalmangel, hohe Arbeitsbelastung und schlechte Bezahlung seit Jahren den Arbeitsalltag der Beschäftigten. Kein Wunder! Immer mehr Krankenhäuser befinden sich in privater Trägerschaft, während die Zahl der öffentlichen Einrichtungen sinkt. Seit 1995 wurden rund 500 Krankenhäuser geschlossen und das Krankenhauspersonal um 13% reduziert. Politik, Medienhäuser und Unternehmen haben diesen „Trend“ bewusst vorangetrieben und die schlechten Arbeitsbedingungen bereitwillig herbeigeführt. Das Ziel: Profite machen! Alles zu Lasten der Kolleginnen und Kollegen, deren Höchstarbeitszeit im Zuge der Pandemie auch noch von 10 auf 12 Stunden angehoben wurde. Auch bei den ErzieherInnen hat die Krise konkrete Auswirkungen auf die Arbeitsbedingungen. Nach fast dreimonatiger Schließung soll mit der Wiedereröffnung der Einrichtungen, der Mindestpersonalschlüssel um bis zu 20% unterschritten werden dürfen – obwohl hohe Arbeits- und Lärmbelastung früher schon zur Regel gehörten.

An allen Ecken und Enden wird versucht Kosten zu sparen und Profite zu steigern. Die Arbeitsverdichtung, welche die Manager gerne „Optimierung“ nennen, müssen die ArbeiterInnen letztlich mit ihrer Gesundheit bezahlen. Genau das ist auch bei der „Abfall-Wirtschaft Stuttgart“ (AWS) der Fall. Die körperliche Belastung hat in den letzten Jahren enorm zugenommen. Während vor 20 Jahren an einem Tag mit vier Personen 200 Mülltonnen pro Tag geladen wurden, sind es heute mit zwei Personen 800 Mülltonnen! Bekommen die Beschäftigten bei offensichtlicher Mehrarbeit nun wenigsten mehr Gehalt? Natürlich nicht!

Das sind längst nicht alle Angriffe der sogenannten „Arbeitgeber“ auf die Beschäftigten im Öffentlichen Dienst: Beschäftigte bei der SSB sollen in ihrer Gehaltsstufe herabgestuft werden, genauso soll sich das Bodenpersonal des Stuttgarter Flughafens mit weniger Lohn zufriedengeben. Außerdem wollen uns die Kapitalisten gerade einmal drei Jahre Inflationsausgleich gewähren. Ein Witz.

Geld ist nämlich genug da!

Wir sollen die ganzen Verschlechterungen hinnehmen, weil angeblich nicht genügend Geld da ist? 1,2 Billionen € Rettungspaket für die Wirtschaft, im Juni weitere 130 Millionen € Konjunkturpaket, staatliche Militärausgaben die jährlich, auf einen diesjährigen Rekordwert von 40,5 Milliarden €, ansteigen, 30 Millionen € Bürgschaft für Schalke, 9 Milliarden € Staatshilfe für die Lufthansa, sogar Corona-Hilfe für Tönnies und für uns Beschäftigte ist nicht genügend Geld da? Wollen die uns verarschen? Fakt ist: Es ist genug da. Es ist nur ungerecht verteilt! Der ehemalige SSB-Chef Wolfgang Arnold hat 2018 ein Jahresgehalt von 345.000 € „verdient“ – das sind 28.750 Euro im Monat! Alle drei GeschäftsführerInnen erhielten im selben Jahr höhere Boni. Sie stiegen von 33.000 auf 35.000 € an, obwohl die SSB rote Zahlen in Millionenhöhe schreibt. Die Flughafen Chefs Walter Schoefer und Arina Freitag bekommen beide 328 000 €. Ihr Bonus-Anteil von 117.000 € kommt oben drauf. Die Chefs von AWS und Bäderbetrieben befinden sich zwar unter der 200.000 € Grenzen, doch sie verdienen immer noch zigmal so viel wie die Beschäftigten.

Weder der Staat noch die „KVA“ und erst recht nicht die Kapitalisten aus der Privatwirtschaft haben zu wenig. Die Politik setzt beim Geld eben Prioritäten. Wenn es um bessere Bedingungen für uns Beschäftigte geht, wird jeder Cent dreimal umgedreht, wenn es um Konzerne und Banken geht, sind die Milliarden schnell zur Hand. Die Corona-Rettungspakete kommen letztlich vor allem den großen Konzernen zu Guten während für uns Beschäftigte wenig übrigbleibt. PolitikerInnen, von Grünen bis CDU, haben mal wieder bewiesen – sie machen Politik im Sinne der Kapitalisten.

Wir können uns sicher sein, dass die Kapitalisten uns von „ihrem“ Vermögen freiwillig nichts abgeben werden und erst recht nicht auf die Politik vertrauen. Wenn sich kein anderer für unsere Interessen einsetzt, müssen wir das eben selbst tun. Wenn niemand dafür sorgt, dass der gesellschaftlich erarbeitete Wohlstand uns allen zugutekommt, müssen wir die Anzugträger der obersten Führungsriegen eben dazu bringen. Es stehen Tarifverhandlungen an: Jetzt gilt es, dass wir uns Branchen-übergreifend zusammenschließen und Druck auf der Straße und in den Betrieben aufbauen. Wir müssen deutlich machen, dass wir uns weder beschwichtigen noch einschüchtern lassen. Nur wenn wir uns vereinen und als organisierte Belegschaft, gegen die Bosse und Vorstände auf den Plan treten, können wir ihren Absichten den Riegel vorschieben.

Dazu brauchen wir eine starke Gewerkschaft. Dazu müssen wir Ver.Di unterstützen! Wir sollten uns jedoch auf keinen Fall zurücklehnen und darauf warten, dass diese alles für uns wieder in Ordnung bringt. Die Gewerkschaft besteht aus uns Mitgliedern und kann nur so stark sein wie wir es sind. Hartnäckig bleiben, nicht aufgeben und entschlossen zu kämpfen – das liegt bei uns Belegschaft, mit jeder einzelnen Kollegin und jedem einzelnen Kollegen.

Für eine starke Gewerkschaft müssen wir selbst sorgen

Die Unternehmer werden ihre Chance nutzen und die Krise auf uns abwälzen wollen. Ihre Auswirkungen sind deutlich zu spüren – allein im Raum Stuttgart erleben wir besonders in der Automobilbranche und bei ihren Zulieferern massenhaft Kurzarbeit, Werkschließungen und Entlassungen. Die Krise wird uns noch lange begleiten und auch durch ein Ende der Pandemie nicht plötzlich vorbei sein. Denn die Ursache ist nicht Corona, sondern der Kapitalismus. Durch seine unsinnige und chaotische Produktionsweise erzeugt er immer wieder Krisen, bei denen tausende Existenzen zerstört werden.

Lasst uns deshalb die kommenden Tarifauseinanderersetzungen auch mit dem Kampf für eine Gesellschaft verbinden, in der wir nicht ständig um unser Jobs bangen und kämpfen müssen. Denn was bringen uns die besten Arbeitsstandards und Lohnbedingungen, wenn sie von den Managern, Eigentümern und Bonzen in Krisenzeiten mit einem Mal zu Nichte gemacht werden – von denen, die durch unsere Arbeit über Jahre fette Gewinne einfahren konnten, auf angesparte Millionen Beträge zurückgreifen können und uns dann mit „nicht genügend Geld da“ kommen. Viel sinnvoller wäre es, wenn die Möglichkeit, dass sich einzelne Kapitalisten dermaßen hohe Vermögen anhäufen, gar nicht bestünde. Viel sinnvoller wäre es, wenn die Beschäftigten, die jeden Tag am betrieblichen Geschehen teilhaben und tatsächlich die Arbeit machen auch über Arbeitsbedingungen und Arbeitsplätze entschieden, anstatt irgendwelcher Bosse die oftmals keine Ahnung haben was im Betrieb abgeht, sich aber die dicksten Gehälter auszahlen lassen. Dafür müssen wir uns vereinen, streiken und kämpfen! Lasst uns dafür sorgen, dass die kommenden Tarifverhandlungen der Öffentlichkeit und besonders den Konzern-Bossen noch lange im Gedächtnis bleiben.

Wir – „Solidarität und Klassenkampf“ stehen dabei an eurer Seite und wollen euch bei euren Kämpfen unterstützen.

Für eine kämpferische Tarifrunde 2020!
Für Solidarität und Klassenkampf!

 

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