Sie sparen – und wir müssen warten! Über die Versorgungskrise in Stuttgart

Die Bilder der sog. „Stuttgarter Ausländerbehörde“ gehen seit Monaten durch die deutsche Presse, geändert hat sich bisher wenig. Was für Oberbürgermeister Frank Nopper und den verantwortlich Ordnungsbürgermeister Clemens Maier nur ein peinlicher Imageschaden ist, bedroht gleichzeitig menschliche Existenzen. Ein Drittel der Stellen in der „Ausländerbehörde“ ist momentan unbesetzt. Wer Chancen auf einen Termin haben will, muss schon in der Nacht vor der Tür campen und um Job und Aufenthaltstitel fürchten. Dieses Versagen städtischer Dienstleistungen ist in Stuttgart leider kein Einzelfall. Derzeit sind sechs Bürgerbüros wegen Personalmangels geschlossen, in den Kitas fehlen 3.000 Plätze, die SSB hat die Linie U34 vorübergehend geschlossen, um das Personal zu entlasten und „ein verlässliches und planbares Fahrplanangebot […] zu gewährleisten“. Die Liste ließe sich noch eine Weile fortsetzen. Der Missstand ist aber jetzt schon unübersehbar: wir erleben eine Krise öffentlicher Dienstleistungen, nicht nur in Stuttgart, sondern bundesweit. Diese Krise betrifft alle die arbeiten müssen um zu überleben, ob mit deutschem Pass oder ohne und kein millionenschweres Unternehmen besitzen. Ob wir keinen Termin für einen neuen Personalausweis bekommen, im Krankenhaus von völlig übermüdetem Personal behandelt werden oder das Altpapier mal wieder nicht abgeholt werden konnte, wir, die Arbeiter:innen und Arbeiter, müssen die kapitalistische Sparpolitik ausbaden. Und vielleicht werden wir durch den Spagat zwischen Job und Kinderbetreuung selbst irgendwann vom Burn-Out eingeholt und eine weitere Stelle muss wegen Personalmangels schließen.

Kaputtgespart vom Neoliberalismus

Dabei ist diese Krise weder überraschend aufgetreten, noch ließe sie sich nicht beheben. Sie ist das Ergebnis einer profitorientierten Politik, die auf Privatisierung und Einsparungen setzt und es so den Angestellten in öffentlichen Berufen immer schwerer macht, ihre Aufgaben nachhaltig und menschenfreundlich zu erfüllen. Niedrige Löhne sorgen zusätzlich für wenig attraktive Arbeitsbedingungen, obwohl so dringend Fachkräfte gesucht werden. Dass sich dies auch in Zukunft nicht so schnell ändern wird, zeigt der Haushaltsentwurf der Bundesregierung für 2024: in den Bereichen Arbeit und Soziales, Gesundheit, Familie und Bildung wird kräftig gekürzt, während ausschließlich das Budget für Verteidigung steigt. Dabei wurde der Bundeswehr vor kurzem erst ein Sondervermögen von 100 Milliarden € zur Verfügung gestellt. Auf diese Weise wird nicht nur nach und nach der Sozialstaat kaputtgespart, sondern mit Krieg und Waffenlieferungen auch weitere Fluchtursachen geschaffen und aufrechterhalten. Finden dann Menschen auf der Flucht vor Krieg oder Armut ihren Weg nach Deutschland, müssen sie nicht nur vor der „Ausländerbehörde“ in der Eberhardstraße frieren, sondern werden auch von einem rassistischen Klima „empfangen“. Eine Hetzkampagne aus CDU, AFD oder Bundesregierung jagt die nächste und mit der neuen EU-Asylordnung werden fliehende Menschen dann schon an den EU-Außengrenzen sortiert werden. Statt Perspektiven für sie zu schaffen werden jene Menschen die die gefährliche Mittelmeerroute überleben nach „Nützlichkeit“ (für den Markt) kategorisiert werden.

Müssen Reiche auch warten…?

Wir stecken fest in einem System, in dem nur die Wirtschaft zählt. Menschen werden nur als Arbeitskräfte gesehen, um den Unternehmen und ihren Chefs weiterhin guten Gewinne zu sichern. Deshalb wird der soziale Sektor auf ein Minimum eingespart und Arbeiter:innen werden wo es geht gegeneinander aufgehetzt. Wir, Arbeiter:innen, mit oder ohne deutschen Pass, haben aber mehr miteinander gemeinsam, als mit den Gelfrisuren-Trägern aus Politik und Wirtschaft. Menschen, die vor den verschlossenen Türen der „Ausländerbehörde“ verzweifeln, werden vom gleichen System unterdrückt wie Menschen sie nie besuchen mussten, aber arbeiten müssen um zu überleben. Der Sparzwang trifft uns alle, wenn auch die Behandlung von Menschen aus dem sog. Ausland oder ohne deutsche Papiere besonders widerlich ist. Diese Verhältnisse werden sich nicht von alleine ändern und vor allem nicht durch Wahlen. Wir haben es selbst in der Hand, für eine bessere Welt zu kämpfen. Für ein Leben, das nicht vom Arbeitsstress diktiert wird, eine Welt in der es keine „Ausländerbehörde“ mehr braucht und öffentliche Versorgung selbstverständlich und kein Sparobjekt mehr ist. Bis es so weit ist, wäre es mindestens angebracht, die Wartenden vor der „Ausländerbehörde“ gut zu betreuen und die Beschäftigten in der öffentlichen Daseinsvorsorge angemessener zu bezahlen, z. B. mit der Stuttgart Zulage von 470 Euro, die die Gewerkschaft ver.di fordert. Und das Geld hierfür könnte man sich bei den Millionären, der hochgerüsteten Bundeswehr und aus dem Budget für sinnlose Prestigebauprojekte holen.

Gegen die Verhältnisse in und vor der sog. „Ausländerbehörde“ in Stuttgart – Kein Mensch sollte vor der Behörde campen müssen!

Für bessere Bezahlung im Öffentlichen Dienst – her mit der Stuttgart Zulage!

Weg mit dem neoliberalen Sparsystem – Weg mit dem Kapitalismus!

 

 

 

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