Der Kanzler und die Kapitalisten – Statement zum Vorschlag der „Konzertierten Aktion“
Geschichtsvergessenheit, Angriffe auf die Tarifautonomie und ein politischer „Untoter“ namens „Bündnis für Arbeit“?!
Bundeskanzler Scholz will in einer „konzertierten Aktion“ mit Staat, Arbeitgebern und Gewerkschaften die Inflation bekämpfen. Das erinnert an die „konzertierte Aktion des früheren SPD-Wirtschaftsminister Karl Schiller, der in den 60er Jahren des vorherigen Jahrhunderts hoffte, mit einem Pakt von Ausbeutern und Ausgebeuteten, die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen.
Ende der 60er Jahre trat die Wirtschaft nach der ersten Wirtschaftskrise nach dem Zweiten Weltkrieg wieder in eine Konjunkturphase über. Die Arbeiter:innen sahen rasant steigende Gewinne in die Taschen der Kapitalisten fließen, während die während der vorangegangenen Krise abgeschlossenen Tarifergebnisse kaum Verbesserungen, dafür aber lange Laufzeiten vorsahen.
Der damalige Wirtschaftsminister Schiller wollte mit der „konzertierte Aktion“ auch in die sogenannte Tarifautonomie von Kapitalisten und Gewerkschaften eingreifen. Was für eine dumme und zugleich eine anmaßende Geschichtsvergessenheit! Denn eine der zentralen Lehren aus dem deutschen Faschismus ist die, dass der Staat nicht in Tarifverhandlungen eingreifen darf!
Während die Regierung damals mit der „konzertierten Aktion“ einen Angriff auf die Tarifautonomie führte und die Gewerkschaften zu nur mickrigen Lohnabschlüssen mit langer Laufzeit drängte, wurde die Stimmung in den Betrieben spätestens beim wieder Anziehen der Konjunktur immer schlechter. Diese berechtigte Unzufriedenheit griffen die Kommunist:innen in ihrer betrieblichen Agitation auf.
Während der Friedenspflicht wurde in einem Dortmunder Stahlwerk vom dortigen Vertrauenskörper zu einer Versammlung zum Austausch über die völlig unzureichende Lohnentwicklung eingeladen. Die Kommunisten motivierte die gesamte Belegschaft an dieser Aussprache während der Arbeitszeit teilzunehmen. Dadurch kam es zum „wilden Streik“. Zuallererst für mehr Lohn. Aber zugleich auch gegen die Politik der Regierung und für eine kämpferischere Gewerkschaft.
Diese Versammlung der gewerkschaftlichen Vertrauensleute wurde zur Anlaufstelle für die gesamte Belegschaft, die Versammlung wurde zum wilden Streik und der wilde Streik wurde zum Flächenbrand – vom 2. bis zum 19. September 1969 legten über 140.000 Arbeiter:innen die Arbeit nieder und zwangen damit die Kapitalisten in die Knie! Und machten zugleich ihre Gewerkschaft wieder zu einer Kampforganisation. Und das alles außerhalb regulärer Tarifverhandlungen! Innerhalb von nur zwei Wochen wurde damit eine Lohnerhöhung für 8 Millionen Mitglieder erkämpft.
Und heute? Kanzler Scholz versucht in schlechtester Tradition der Sozialdemokratie die Arbeiter:innen-Bewegung einzuhegen. Allerdings bemüht er sich dabei den Begriff „Bündnis für Arbeit“ zu vermeiden. Vermutlich um die unrühmliche Erinnerung an einen Versuch des damaligen IG Metall Vorsitzenden Klaus Zwickel aus dem 1990er Jahre die „konzertierte Aktion“ wiederauferstehen zu lassen, zu verhindern. Zwickels Vorschlag wurde damals von Kommunist:innen als „Einladung“ an die Kapitalisten und ihre Schröder-Regierung für die spätere Agenda 2010 und die Hartz-Gesetze gesehen.
Die gewerkschaftliche Führung wird hauptsächlich von überzeugten Sozialdemokraten gestellt, also hat eine SPD in der Regierung ohnehin bereits enormen Einfluss auf den Gewerkschaftsapparat.
Gerade jetzt, in Zeiten in denen die Kapitalisten in stetiger Angst vor einem Zusammenbruch der gesamten deutschen Wirtschaft durch ausfallende oder komplett eingestellte Energielieferung aus Russland leben, will die Regierung präventiv alle Mittel heranziehen, das zu verhindern was ihr gefährlich werden kann: eine kämpferische Arbeiter:innen-Bewegung.
Jede Tarifforderung ist den Kapitalisten zu viel, der Kanzler lobt den Ausfall der Tarifrunde im Bereich der chemischen Industrie als „interessanten Weg“ und versucht zugleich eine Einmischung der Regierung in kommende Tarifverhandlungen.
Und wir? Wir dürfen nicht vergessen, was wir erreichen können! Der Staat hat sich nicht in unseren Kampf um bessere Löhne einzumischen, die Gewerkschaften dürfen nicht der verlängerte Arm der Regierung in die Betriebe werden und die Septemberstreiks 1969 zeigen, dass wir nicht unbedingt eine Tarifrunde brauchen um unsere Interessen durchzusetzen.