Aufwertung? Wohl eher am Ziel vorbei. Überlegungen zum Tarifabschluss im Sozial- und Erziehungsdienst

Während ver.di-Chef Werneke von einer gelungenen Einigung spricht, macht sich unter den Beschäftigten des Sozial- und Erziehungsdiensts Ernüchterung breit. Der Tarifabschluss wird in der Tendenz kritisch diskutiert. Wir meinen zurecht. Und auch auf dem Weg dorthin, im Verlauf der Tarifrunde, lief vieles nicht rund.

Die Auseinandersetzung um den Tarifvertrag für den Sozial- und Erziehungsdienst blickt auf eine kurze, aber durchaus kämpferische Geschichte zurück. Der erste Abschluss zwischen den kommunalen Arbeitgebern und ver.di kam 2009 nach wochenlangem Streik zustande. Das Ergebnis war seinerzeit heftig umstritten. In Stuttgart stimmten 86 Prozent der Mitglieder dagegen, bundesweit stimmten nur 55 Prozent zu. Viele Kolleg:innen wollten weiterkämpfen.

In den ersten Diskussionen zur Tarifrunde 2022 war der kämpferische Geist der organisierten Kolleg:innen in der Branche spürbar. Auch die Verknüpfung mit politischen Themen und die Verzahnung mit feministischen Kämpfen lief gut an. Am Internationalen Frauen*kampftag waren in Stuttgart über 4.000 Menschen unter dem Motto: „Überlastet, ungesehen, (unter)bezahlt. Feministisch streiken gegen Patriarchat und Kapitalismus“ auf der Straße! Dieser Druck konnte in den darauffolgenden Wochen nicht durchgängig aufrechterhalten werden. Dafür gibt es Gründe.

Fehler analysieren, besser werden!

Um die Kämpfe weiterentwickeln zu können, sollten wir die Probleme die sich in der Tarifrunde gezeigt haben intensiv diskutieren und diese Debatte auch innerhalb von ver.di auf die Agenda setzen. Uns geht es dabei nicht um Nörgelei im Nachgang, sondern um Kritik als Ansporn zum besser werden.

Wir sehen im wesentlichen 3 Ursachen:

1. Die Tarifpolitik von ver.di im Sozial- und Erziehungsdienst ist zu kompliziert. Selbst erfahrenen Aktiven ist es schwer gefallen die Forderungen zu erklären. Wenn dann auch noch im Verhandlungsergebnis wenig davon übrig bleibt, ist eine Identifikation der Beschäftigten de facto nicht möglich. Eine Loyalität der Kolleg:innen gegenüber ihrer Gewerkschaft reicht als Motivation für eine Beteiligung an einem, im Zweifelsfall auch harten und langen Arbeitskampf, schlichtweg nicht aus.

2. Die Beteiligung und Kommunikation mit den aktiven Mitgliedern ist falsch angelegt. Ein ehrlicher und offener Austausch über Strategie, Verhandlungsstand und die äußeren Umstände finden kaum statt. Dadurch verkommen die Aktiven zu Informationsverteiler:innen. Das Potenzial das in einem gemeinsamen Entwickeln der Kämpfe, in einem kollektiven Wachsen entlang der Probleme, Erfolge und Niederlagen liegt, wird nicht ausgeschöpft. Anstelle von Motivation und Bewusstseinsbildung bleibt bei den Beteiligten Enttäuschung und Frust.

3. Die strukturellen Herausforderungen für Arbeitskämpfe im Sozial- und Erziehungsdienst wurden bei der Planung der Streikkampagne unzureichend berücksichtigt. Insbesondere wurde keine Antwort auf das Dilemma, dass die „eh schon durch die Pandemie gebeutelten Familien“ als erstes unter den Arbeitskämpfen leiden, gefunden. Das hat bei den Kolleg:innen leider oft zu einem inneren Konflikt geführt und war auch in Hinblick auf die öffentliche Wahrnehmung der Tarifrunde problematisch.

Was am Ende übrig bleibt

Das finanzielle Ergebnis mag gemessen an anderen Abschlüssen der vergangenen zwei Jahre akzeptabel sein, an den Bedürfnissen der Beschäftigten geht es leider vorbei. Bei den zwei zusätzlichen „Entlastungstagen“ ist absehbar, dass sie ohne den zwingend erforderlichen Personalausgleich zu Leistungsverdichtung führen werden und folglich auch nicht zur Entlastung beitragen. Und auch die Zulage von 130 bzw. 180 Euro ist angesichts der aktuellen Teuerungen nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Insgesamt ist der Tarifabschluss geprägt von Kompromissen, ein Ergebnis dem wir nicht zustimmen können.

Noch im Jahr 2022 beginnen die Vorbereitungen für die allgemeine Entgeltrunde im TVöD. Eine gute Chance einen Nachschlag einzufordern und offensiv zu kämpfen. Für einen Tarifabschluss der nicht nur Reallöhne sichert, sondern eine spürbare Verbesserung erzielt. Die SuE-Tarifrunde hat gezeigt, dass die kommunalen Arbeitgeber sich von wenigen Warnstreiks nicht beeindrucken lassen. Daher gilt es bereits jetzt die Weichen zu stellen und auf eine harte Auseinandersetzung vorzubereiten.

Als Solidarität- und Klassenkampf haben wir die Tarifrunde mit eigenen Veranstaltungen und Aktionen begleitet. Das werden wir in den kommenden Tarifrunden fortsetzen und ausbauen. Dabei freuen wir uns immer über alle die Interesse an einer aktiven Mitarbeit haben.

Wir bleiben dran:

Solidarität und Klassenkampf!

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