Ein respektables Ergebnis, oder?

Zum Tarifabschluss im Öffentlichen Dienst.

Ver.di auf der einen Seite, die „Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände“ (VKA) und der Staat auf der anderen Seite haben sich geeinigt. Und das Ergebnis ist interessant, denn schließlich geht es um unser Geld. Wir wollen in diesem Text mehr als nur eine simple Kritik an dem Ergebnis formulieren, sondern vor allem aufzeigen was es wirklich bedeutet.

Das Ergebnis

Die allgemeinen Eckpunkte: Eine Laufzeit von 28 Monaten mit zwei Steigerungen, jeweils zum 1. April 2021 und 2022. Die erste um 1.4 Prozent, aber mindestens 50 Euro, die zweite dann um 1.8 Prozent. Je nach Entgeltgruppe bedeutet das eine Steigerung von insgesamt 3,2 bis 4,5 Prozent (Aufgrund des 50 Euro Sockels).

Die Pflege bekommt allerdings eine Sonderzulage, ab März 2021, 70 Euro mit einer Erhöhung im März 2022 um weitere 50. Die Zulage in der Intensivmedizin wird auf 100 Euro monatlich angehoben. Wechselschichtzulagen auf 155. Ver.di veranschlagt die Erhöhungen in der Pflege auf 8,5 Prozent für die meisten, auf bis zu 10 Prozent für die Intensivmedizin. Die Arbeitszeit in Ost und West wird angeglichen, unsere KollegInnen im Osten arbeiten in Zukunft eine Stunde weniger. Hinzu kommt noch ein einmaliger Corona Bonus von 200 bis 600 Euro, je nach Einkommen.

Einige VKA Forderungen konnten abgewendet werden, nicht enthalten sind etwa die „Neubewertung der Arbeitsvorgänge“, die zu Abgruppierung geführt hätte, wie überhaupt vom VKA geforderte Regeln für Abgruppierung. Die Sparkassensonderzahlung konnte nicht im Ganzen verteidigt werden, ein Teil der Zahlung wird in einen zusätzlichen Urlaubstag umgewandelt.

Erhöhung oder nur Inflationsausgleich?

Auf den ersten Blick gibt es positives. Eine Erhöhung für die Pflege, die ja auch Fokus dieser Tarifrunde war und eine „kürzere“ Laufzeit als von den sog. „Arbeitgebern“ gewünscht sowie für die niedrigste Entgeltgruppe eine tatsächliche Erhöhung. Für die meisten gibt es aber eben „nur“ die zwei kleineren Steigerungen. Und leider erinnert vieles an dem derzeitigen Ergebnis an das „Angebot“ von VKA und Staat kurz vor den letzten Streikaktionen. Die ver.di Spitze betont, dass der Sockel von 50 € höher sei als der vom VKA „gewünschte“ mit 30 €, aber er ist offensichtlich um einiges näher als an einer unserer zentralen Forderungen: 150 € mindestens.

Dazu kommt, dass die Entgelterhöhungen immer mit der Inflation, also der „normalen“ Preissteigerung, verrechnet werden müssen, denn wenn alles teurer wird, dann muss unser Gehalt, nur um unser derzeitiges Niveau zu halten, mindestens um denselben Prozentsatz angehoben werden. Wenn wir uns nun die „erwartete Inflation“ der Jahre 2021 und 2022 anschauen, die verschiedene Unternehmen und Medien prognostizieren, dann finden wir im nächsten Jahr eine vermutete Teuerung um 1,4 % und im Jahr darauf um 1,6 % – Zahlen die sehr nah an den jeweiligen Erhöhungen des Ergebnisses dran sind. Das Ergebnis ist für viele Menschen im TVÖD, die nicht in der Pflege arbeiten also nur ein Inflationsausgleich, keine echte Erhöhung. Und war das nicht auch die Kritik der ver.di Spitzen am Angebot der „Arbeitgeber“ vor ein paar Tagen? Wieso dann jetzt ein solches Ergebnis, das uns als „respektabel“ präsentiert wird?

Das Ergebnis für die Pflege ist zentral für dieses Tarifvertrag, hier steigen die Löhne. Aber wieso gibt es diese Erhöhung nicht für alle? Es geht nicht darum den KollegInnen das Ergebnis streitig zu machen, im Gegenteil, die Pflege war Fokus dieser Runde, aber einem Teil eine gute Erhöhung zu geben und allen anderen gerade mal einen Inflationsausgleich- das riecht schon sehr stark nach „Teile und Herrsche“. Denn natürlich klingen 8,5% oder mehr sehr gut, wir dürfen aber eben die anderen nicht vergessen, die Bereiche, die auch gestreikt haben, teilweise zum ersten Mal. Und wir dürfen nicht vergessen, dass auch im Krankenhaus immer mehr Bereiche wie Küche, Wäscherei oder Reinigungsdienst fremdvergeben werden. Es war gut, dass wir diese Tarifrunde nicht verzichten wollten, sondern eben gekämpft haben! Gemeinsam Kämpfen sollte aber auch zu gemeinsamen Ergebnissen führen.

Milliarden für Milliardäre. Und für uns?

Denn was haben denn Staat und VKA nicht alles aufgefahren und propagiert. Streik wäre jetzt „nicht angebracht“, Geldforderungen seien „utopisch“ und „überzogen“, einige rechte Politiker forderten sogar eine Nullrunde!

Vor, während und nach dieser Propaganda werden aber Milliarden an Unternehmen gezahlt. Jeder und Jede weiß wie korrupt und kaputt die Lufthansa ist, ihr werden aber trotzdem 9 Milliarden Euro in den Rachen geschmissen (und trotzdem werden Leute entlassen)! Unternehmen wie BMW und Daimler bekommen Milliardenhilfen, ihre Produkte werden vom Staat subventioniert, während sie an ihre Anteilseigner Milliardenbeträge ausschütten und ihre ArbeiterInnen in Kurzarbeit sind.

Für mehr soll kein Geld da sein? Die Kosten dieses Abschlusses, der im Übrigen für 2,3 Millionen Beschäftigte des ÖD gelten wird, ist vom VKA mit insgesamt 4,9 Milliarden Euro veranschlagt. 4,9 Milliarden für 2,3 Millionen Menschen gegen 9 Milliarden für ein privates Unternehmen- die Lufthansa. Die Aktionäre von BMW bekamen Corona-Hilfen und dann eine Ausschüttung von 1,6 Milliarden Euro aus dem Jahr 2019, die ging zum Großteil an Stefan Quandt und Susanne Klatten, die die Hälfte der Aktien halten. Sie besitzen zusammen 25 Milliarden Euro.

Wer hat, dem wird in diesem Staat und von diesem Staat gegeben.

Gut, dass gekämpft wurde!

Das sollte uns aber nicht wundern, wenn dann einfach wütend machen. Dieser Staat zuckt nicht mit der Wimper, wenn es um Geld für Milliardäre geht, aber wir ArbeiterInnen müssen monatelang für einen Inflationsausgleich kämpfen? Das Geld, dass erst jetzt für die Pflege locker gemacht wurde, war davor schon da. Der Staat wollte wohl erst einmal testen ob wir überhaupt streikfähig sind- und das waren wir! – bevor er uns ein bisschen abgibt.

Seien wir ehrlich, viele Menschen werden schlecht bezahlt bleiben, weiter hart und weiter viel arbeiten müssen- trotz dieses Abschlusses. Der Kampf geht also weiter, sogar jetzt, den unsere KollegInnen im Nahverkehr brauchen weiter Unterstützung!

Wir waren kämpferisch und haben gezeigt, dass wir streiken können – trotz Corona. Die Tarifrunde hat gezeigt wo die Grenzen verlaufen. Wir ArbeiterInnen kriegen im Vergleich zu Großunternehmen, nach einem langen und harten Kampf unter extremen Bedingungen, nichts. Der Staat ist auf der Seite der Reichen. Das sollten wir uns für zukünftige Kämpfe merken und dementsprechend handeln. Und unser Kampf ist auch ein Signal für andere Branchen und insbesondere für die harten Auseinandersetzungen in der Metall- und Elektroindustrie im Januar. Wir ArbeiterInnen können kämpfen!

Ja oder Nein?

Dieses Tarifergebnis ist momentan „nur“ ein Vorschlag der Verhandlungs- „Partner“. Er wird den ver.di-Mitgliedern im TVÖD zur Abstimmung vorgelegt werden. Von denen die befragt werden, müssten 75 Prozent gegen das Ergebnis stimmen, damit es nicht angenommen wird. Die Konsequenz wäre dann eine erneute Kampfphase. Dazu wird es höchstwahrscheinlich nicht kommen, die Hürden hierfür sind zu groß. Die ver.di Spitze signalisiert klar, dass dieses Ergebnis angenommen werden soll, hinzu kommen die Verbesserungen in der Pflege, gegen die kaum jemand stimmen wird. Dennoch, die Abstimmung ist ein Stimmungsbarometer. Und wir können diese Abstimmung als Statement nutzen. Unsere Aktiven aus dem TVÖD werden daher mit Nein stimmen, nicht weil wir die Erhöhungen in der Pflege nicht gut finden oder die vielen kleineren Vorteile und Verbesserungen (der Corona Bonus etwa), sondern weil wir der ver.di Spitze signalisieren wollen dass ein Inflationsausgleich kein gutes Ergebnis ist. Unter erschwerten Bedingungen zu kämpfen ist hart- aber eben auch alternativlos. Und ja die Krise und Corona mögen eine Rolle gespielt und den Kampf erschwert haben, aber dass bedeutet nicht das wir alles einfach schlucken sollten, wir bleiben aufmerksame und kritische GewerkschafterInnen! Deshalb fordern wir auch alle Beschäftigten auf, bleibt ver.di Mitglieder! Nichts wäre falscher als auszutreten und unsere Kampfkraft zu schwächen.

Klassenkampf muss organisiert werden!

„Solidarität und Klassenkampf“ hat sich kurz vor der TVÖD Runde gegründet und hat einige Kämpfe im Raum Stuttgart unterstützt. Wir haben neue Kontakte geknüpft und eine Perspektive, jenseits von Ausbeutung und Unterdrückung, vor den Betrieben und auf Streikversammlungen präsent gemacht. Wir werden damit weiter machen, auch unabhängig von Tarifverhandlungen und auch über Branchengrenzen hinweg. Wir sind aber eine offene Organisation, bei uns kann man mitmachen!

Wir wollen aber mehr als die Gewerkschaften. Uns geht es nicht nur um ein paar Prozente mehr oder weniger, sondern um ein grundlegend anderes System. In der Gesellschaft die wir wollen ist Streiken für mehr Lohn überflüssig, weil die Dienstleistungen und Produkte die wir ja selbst bereit- und herstellen, nach Bedarf verteilt sind. Ein gesellschaftlicher Plan koordiniert die Produktion und Reproduktion, damit diese fest an unseren Leben orientiert sind und die Arbeit wird da wo es geht und sinnvoll ist, reduziert werden, zugunsten eines schöneren und sicheren Lebens. Der Weg zu einer solchen Gesellschaft ist weit, aber wir wollen ihn gehen. Denn wir wollen und brauchen den Sozialismus, keinen Kapitalismus, mit seinem Chaos, Ungerechtigkeiten und Unsicherheiten gegen die wir tagtäglich ankämpfen müssen.

Weitere Aktionen stehen schon an, kommt zu unserem Aktionstag am Samstag den 7.11, ab 14 Uhr auf dem Rotebühlplatz! Gegen die Krise, die auf unseren Rücken abgewälzt werden soll.

Wir wollen, müssen und werden kämpfen! 365 Tage im Jahr.

Für Solidarität und Klassenkampf!

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