Daimler klagt gegen SWR
Die Dokumentation „Hungerlohn am Fließband“ wurde im Mai 2013 auf ARD zur besten Sendezeit gezeigt. Der SWR Journalist Jürgen Rose filmte etwa zwei Wochen undercover im Daimler Werk Stuttgart Untertürkheim. Seine Recherchen zeigten, dass bei dem Nobelkarossenhersteller systematisch Tarifverträge mittels sogenannter Werkverträge umgangen werden. Die Dokumentation gab den Anstoß zu einer breiten gesellschaftlichen Debatte über prekäre Beschäftigung.
Im Januar 2014 reichte die Daimler AG Klage vor dem Landgericht Stuttgart ein, mit dem Ziel ein erneutes Senden der Dokumentation zu verhindern. Am heutigen Donnerstag fand die erste Verhandlung in dem Verfahren statt. Rund 50 DaimlerarbeiterInnen und zahlreiche UnterstützerInnen demonstrierten vor dem Landgericht.
Hausfriedensbruch und die Persönlichkeitsrechte eines Unternehmens
Die Daimler AG möchte vor Gericht feststellen lassen, dass die Aufnahmen der Dokumentation rechtswidrig gefertigt wurden. Insbesondere in den heimlichen Aufnahmen mit vier versteckten Kameras vom 5.- 18. März 2013 sieht sie einen Verstoß gegen die „Persönlichkeitsrechte des Unternehmens“. Der Südwestrundfunk hält dagegen, dass mit den Filmaufnahmen die illegale Praxis des Konzerns, Arbeitnehmerüberlassung als Werkvertrag zu deklarieren, öffentlich gemacht wurde.
Ganz offensichtlich geht es Daimler bei dem Prozess nicht darum etwas konkret zu unterbinden. Selbst im Falle eines juristischen Erfolges, könnte lediglich eine erneute Ausstrahlung der – inzwischen veralteten – Dokumentation verhindert werden. Eine abgewandelte oder ausschnittsweise Weiterverwendung der Materialien wäre dennoch möglich. Vielmehr ist davon auszugehen, dass der Konzern Kritiker einschüchtern und von weiteren investigativen Recherchen abhalten möchte.
Das Verfahren geht weiter
Nach einer ausführlichen Erläuterung der juristischen Aspekte regte das Gericht in der heutigen Verhandlung einen Verzicht auf ein weiteres Bestreiten des Rechtsweges an. Da der SWR vermutlich nicht beabsichtigt eine über ein Jahr alte Dokumentation erneut in voller Länge auszustrahlen, ist ein „praktischer Effekt“ der Daimlerklage nicht zu erwarten. Allerdings müssten in diesem Fall beide Seiten ihre Kosten selbst tragen und ein Nachgeben des SWR käme einem Schuldeingeständnis gleich. Zurecht stellten die SWR Vertreter daher klar, dass dies für sie keine Option darstellt.
Dennoch wurde beiden Seiten ein Monat Zeit zur Diskussion des Vorschlages eingeräumt.
Am 9. Oktober soll das Verfahren voraussichtlich fortgesetzt werden.
Medienberichte
Bericht der Stuttgarter Zeitung